Donnerstag, 28. Mai 2009

Eine Analyse zum Begriff Besessenheit

Bei unserer Recherche sind wir auf den Aufsatz „Ergriffenheit, Erfülltheit und Besessenheit im psychiatrischen Erfahrungsbereich“ von Jürg Zutt gestoßen. Zutt erläutert die drei Begriffe so:

„Ich verstehe hier Erfülltheit und Besessenheit als unterscheidbare Steigerungen der Ergriffenheit. Erfülltheit ist Steigerung der Ergriffenheit durch das Liebenswerte, durch das Schöne, das Gute, das Wahre, das Göttliche. Solche Ergriffenheit kann zu Freude, Rausch und Ekstase führen. Besessenheit ist aber Steigerung der Ergriffenheit durch das Häßliche, das Böse, das Feindliche, das Falsche, das Teuflische. Solche Ergriffenheit führt zu Angst, Entsetzen und zum Erstarren.“ (S.11)

Die Erläuterung, dass Besessenheit durch das Hässliche, das Böse und das Feindliche hervorgerufen wird erachten wir als falsch. Genauso wie die strikte Unterscheidung zwischen Erfülltheit und Besessenheit, die nach Zutt’s begrifflicher Erläuterung eindeutig ist. Die Kritik soll an einem Romanbeispiel belegt werden. Und zwar an dem Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind. Der Protagonist Jean-Baptiste Grenouille ist fasziniert von Gerüchen und ist erpicht darauf und fast schon besessen, DAS Parfüm überhaupt zu kreieren. Wenn man Grenouille nach Zutt’s Definition analysiert kommt man darauf, dass er eine Erfülltheit durch das Schöne erfährt, nämlich durch angenehme Gerüche. Die Gerüche erzeugen, wenn man die Erklärungen von Zutt darauf anwendet, eine Ektase bzw. einen Rausch bei Grenouille. Jedoch ist dieser Rausch auch der Antrieb für schlimme Taten – in dem Fall Mord. Jetzt stellt sich die Frage, in wie weit die Besessenheit, die durch das Böse ausgelöst wird, hier ins Spiel kommt. Wir schlossen daraus, dass die Besessenheit, die durch das Böse ausgelöst wird, aus dem Wunsch nach Erfülltheit durch das Schöne resultiert. Was in einer weiteren Schlussfolgerung heißen könnte: Die Besessenheit Grenouille’s wird durch das Schöne bewirkt. Somit wird Zutt’s Unterscheidung unzulässig und die strikten Grenzen zwischen Erfülltheit und Besessenheit sind verschwunden.


Im Allgemeinen und im modern-kulturellen Kontext betrachtet, denken wir, dass der traditionelle Begriff der Besessenheit (von einem Dämon besessen sein) auf unseren Kulturkreis nicht mehr zutrifft. Dazu möchten wir ebenfalls ein Zitat von Jürg Zutt’s Aufsatz „Ergriffenheit, Erfülltheit und Besessenheit im psychiatrischen Erfahrungsbereich“ anführen, an dem wir unsere These erläutern.

„So ergreift uns die Natur nicht mehr so, wie sie Menschen früherer Kulturen ergriffen hat und Menschen uns fremder Kulturen noch heute ergreift. Wir sind von ihren Mächten nicht mehr in gleicher Weise wie jene ergriffen, erfüllt oder besessen. Wir sind es, die ergreifen und eingreifen.“ (S.13)

Dieses Zitat bringt unsere Auffassung auf den Punkt und zwar, dass die Menschen heutzutage und in unserer Kultur den Besessenheitsbegriff nochmal neu überdenken und eventuell eine moderne Definition dafür finden müssten. In unserer „westlichen“ und modernen Kultur scheint sich Besessenheit meist durch einen Aspekt auszumachen: Der Aspekt etwas besitzen bzw. haben zu wollen. Ein starkes Verlangen, dass Menschen dazu bewegt Dinge zu tun, die in der Gesellschaft keine Akzeptanz finden. Dazu möchten wir das Beispiel des Phänomens „Stalker“ anführen. Ein Stalker ist eine Person, die anderen Personen nachstellt und diese verfolgt. Da Stalking in unserer Gesellschaft keine Akzeptanz findet und sogar als Straftatdelikt eingestuft wird, meint man dass das Verhalten eines Stalkers „gestört“ sei und spricht ihm zu, dass er nach der Person die er verfolgt besessen ist. Die These von Zutt, dass wir es sind die ergreifen und eingreifen, spiegelt das Stalking-Phänomen nur wieder. Denn wir sind nicht mehr von etwas besessen, sondern wir sind nach etwas besessen und wir lassen uns nicht mehr von etwas ergreifen sondern wir ergreifen etwas.

Quelle: Jürg Zutt (Hg.), Ergriffenheit und Besessenheit – Ein interdisziplinäres Gespräch über transkulturell-anthropologische und –psychiatrische Fragen, Bern: Francke Verlag 1972

Dienstag, 12. Mai 2009

Definiton Besessenheit

Das Wort Besessenheit kann man in verschiedene Bereiche unterteilen. Sei es religiös, medizinisch oder auch psychologisch. Wir haben diskutiert wie man am besten Besessenheit definieren kann und wir fanden, dass die Definition im Brockhaus Lexikon am besten passt.

Besessenheit:

= Ausgeprägter psychophysischer Erregungszustand. Er wird in der Religionswissenschaft als der Zustand bezeichnet, der als Inbesitznahme (griech. Katokoche, lat. Possessio, dt. Lehnübersetzung >B<) der betroffenen Person durch einen Gott, Dämon oder Geist gedeutet wird. Die Verhaltensänderungen der besessenen Person werden somit auf das Eindringen eines fremden Geisteswesen zurückgeführt; von der religiösen Wertung des betreffenden Geisteswesens hängt die Bewertung der Besessenheit ab: als durch Kultakte (->Exorzismus) zu beseitigender Zustand oder als Zustand der „Gottesfülle“
(->Enthusiasmus).
Der Besessenheit korrespondierende Zustand des >Außersich-Seins< wird mit -> Ekstase bezeichnet; auffallende Zustandsveränderungen einer Person werden hier als Verlassen des Körpers durch die >Seele< gedeutet. Als Kennzeichen des Zustandes der Besessenheit werden z.B. Veränderungen der Mimik, der Sprechweise, persönlichkeitsfremd scheinendes Verhalten (z.B. Umsichschlagen) angesehen. Der Besessene ist meist in Trance und sich seines Zustandes nicht bewusst, kann seine Besessenheit jedoch auch in einer Art Doppelbewusstsein als vermeintes Wirken eines fremden Geistes in ihm erleben (luzide Besessenheit).

In Europa wurden in der Volksmedizin bis ins 19. Jahrhundert physische und psychische Krankheiten, besonders epileptische und hysterische Anfallsleiden, auf Besessenheit des Kranken durch einen bösen Dämon zurückgeführt. Zur Heilung von Besessenheit sollen Exorzismen – Geisteraustreibungen z.B. durch Aderlass, Lärm oder durch die Übertragung auf ein anderes Lebewesen, z.B. Tier –dienen. Zum Teil mit dem Teufels- und Hexenglauben verbunden, Verbreitung. – Noch bis in die Gegenwart finden sich Exorzismen als Austreibungen eines Krankheitsdämons im Heilungsritual einiger traditioneller (z.B. afrikanische) Kulturen.

In Religionen, in deren Mittelpunkt der Glaube an die Existenz von Geistern verstorbener steht und die von europ. Spiritismus beeinflusst sind (v.a. in der brasilian. -> Umbanda), wird Besessenheit von dazu ausgebildeten Medien kultisch bewirkt und beendet, wobei die Menschen mit den in den Medien anwesenden Geistern kommunizieren. Im Christentum wurden verschiedene Krankheitsbilder und Erregungszustände unter Berufung auf das neue Testament. Berichte (Mk. 3,20 – 30;5, 1-20;9, 14-29) als Besessenheit aufgefasst, ihre Heilung dementsprechend als Austreibung von Dämonen. Aus der auch den jüngern gegebenen Vollmacht, Besessene durch Dämonenaustreibung zu heilen, haben später die christlichen Kirchen ihrerseits eine Vollmacht zum Exorzismus abgeleitet. In der katholischen Kirche wurde dessen auch heute noch grundsätzlich mögliche Ausübung an strenge Prüfung und ausdrücklicher Erlaubnis des Bischofs gebunden.

Quelle: Brockhaus Enzyklopädie Band 3 BED-BRN
19.,völlig neu bearbeitete Auflage.
F.A. Brockhaus Mannheim, 1987, s. 204

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